Dienstag, 18. Oktober 2016

Vorgeschichte Kapitel 13

13. Enthüllungen und schiefgelaufene Pläne

Eilin


Schweigend stand die Rothaarige hinter ihrem Freund. Er war nach wie vor alles andere wie begeistert darüber, dass sie mitgekommen war aber das war ihr vollkommen gleichgültig. Alle seine laschen, lächerlichen Argumente hatte sie entkräftet und ihm klargemacht dass er vergessen konnte das wieder allein durchzuziehen. Sie hatten ja gesehen was es bei Lucy gebracht hatte. Nämlich nichts. Und im Gegensatz zu ihrem affigen Idiotenfreund hatte Eilin durchaus einen Plan in der Hinterhand. Für den Fall des Falles.
Sie hatte alles mit Ren abgeklärt und diesem dabei auch endlich mal genau erläutert was überhaupt passiert war. Nachdem er den ersten Schock überwunden und eingesehen hatte dass irgendjemand auf die Kinder aufpassen musste - und Deirdre war nun mal ihr Kind und nicht seins und mit Lucy war er auch nicht zusammen - hatte sie ihm sehr genau erläutert wie ihr Plan aussah. Im Gegensatz zu Joel wollte er ihn auch hören und hatte sie nicht einfach abgewimmelt und versucht davon zu überzeugen Zuhause zu bleiben.
Joels Verhalten hatte mittlerweile übrigens fast schon lächerliche Züge angenommen. Selbst jetzt murmelte er die ganze Zeit vor sich hin dass sie lieber heimgehen sollte und was für eine schlechte Idee es war dass sie mitkam und wie gefährlich das doch war und was auch sonst noch alles. 
Es war einfach unglaublich. Seine Gründe wurden immer bescheuerter und unglaubwürdiger. Vorhin hatte er in einem verzweifelten Versuch sie zum umkehren zu überreden, irgendetwas erzählt von wegen Tyson würde ja dann wissen wie sie aussah und sie hätte nie wieder Ruhe vor ihm. Dabei hatte er ihr gestern selbst noch gesagt dass der Mann das ohnehin bereits wusste.



Ein bisschen kam es ihr so vor als würde er versuchen irgendetwas vor ihr zu verheimlichen wovon er Angst hatte, dass sie es hier möglicherweise herausfinden könnte. Gar nicht mal so ein unrealistischer Gedanke... viel wusste sie von ihm schließlich nicht. Genaugenommen sogar erstaunlich wenig. 
Weder kannte sie seine Eltern, noch wusste sie ob er Geschwister hatte, was er arbeitete, was er gemacht hatte bevor sie sich getroffen hatten, was er JETZT machte. Eigentlich, musste sie sich selbst eingestehen, wusste sie überhaupt nichts von ihm. Nicht mal seinen Nachname. Der Gedanke war so merkwürdig wie er beunruhigend war.
Es war ihr einfach egal gewesen, sie hatte nicht allein sein wollen und Joel war der Einzige gewesen der zur Verfügung gestanden hatte. Ein bisschen traurig war das schon. Andererseits mochte sie ihn mittlerweile doch irgendwie. Also sie hatte ihn ja nie gehasst oder so und sie hätte ihn nicht bei sich haben wollen wenn sie ihn nicht auf irgendeine Art und Weise gemocht hätte.
Stirnrunzelnd blickte sie zu ihm auf, fand aber nicht sonderlich viel Gefallen an dem Gedanken ihn auf irgendeine Weise zu verlieren. Nein dafür mochte sie ihn definitiv zu sehr. 
Außerdem waren sie doch mittlerweile eine Familie und ihre Kinder brauchten sie Beide. Mal ganz davon abgesehen dass sie gern bei ihm war und ab und zu war er in letzter Zeit richtig... gefühlvoll mit ihr umgegangen.
All diese Gedanken wurden rasch beiseite gefegt als sich die Tür endlich öffnete und der Braunhaarige Kerl von dem Foto, nur mit Jeans und offenem schwarzem Hemd bekleidet, die Haare scheinbar noch leicht feucht - sie nahm mal an vom duschen - und auch nicht so ordentlich wie auf dem Bild, darin auftauchte. Was lief der hier bitte halb nackt rum wenn er sich mit ihnen treffen wollte. War das so ein Ding unter Verbrechern oder was?! Das war ja lächerlich.


Innerlich rollte sie nur mit den Augen und stellte sich dabei vor wie Joel dasselbe tat und sie dann alle mit offenen Hemden herum saßen und sich mit ihren Muskeln profilierten.
Da es hier allerdings um ihre Tochter ging, hielt sie sich vorerst zurück. So ganz unterdrücken konnte sie einen skeptischen Blick allerdings nicht und offenbar schien dieser Tyson ihn wohl auch bemerkt zu haben. 
Undefinierbar amüsiert verzog er die Lippen zu einem kurzen, schmalen Lächeln, sah dann aber wieder direkt zu Joel und grüßte ihn erstmal relativ kühl: 
"Joel. Ich nehme an das dürfte dann... Eilin sein? Oder ist es-" 
Er wurde mit einer raschen, erstaunlich abgehackt wirkenden Handbewegung Joels unterbrochen der bei seiner Antwort sogar ein wenig verärgert klang. Irgendwie hatte Eilin das Gefühl einen panischen Unterton in seiner Stimme zu vernehmen. 
"Du weißt genau dass das Eilin ist, meine Freundin." 
Das letzte Wort betonte er noch einmal mit deutlich mehr Nachdruck, ganz so als wolle er Tyson auf etwas zwischen den Zeilen hinweisen was die Rothaarige nicht sehen sollte. Stirnrunzelnd blickte sie zuerst in sein Gesicht und dann in das, von einem nun noch deutlicher amüsierten schmalen Lächeln geschmückte, des 'Verbrechers'.
Irgendetwas stimmte hier nicht. Hatte er sie deshalb nicht mitnehmen wollen? Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen während sie ihren Freund forschend, fast schon bohrend musterte. 


Und das ganz offensichtlich zu dessen Unbehagen, denn nun begann er plötzlich von einem Fuß auf den Anderen zu treten und bat Tyson darum zum Grund ihres Hierseins zu kommen. Dieser zuckte nur nach wie vor schmal lächelnd mit den Achseln und sprach ihn folglich auf Shereena und direkt darauf auf Deirdre an.
Eine ihrer Augenbrauen wanderte steil nach oben als er 'vorschlug' - eigentlich klang es viel mehr danach als würde er es verlangen - das eine Mädchen gegen das andere auszutauschen. Darauf würden sie ganz gewiss nicht eingehen. Sie hatte Joel auch schon eingetrichtert dass er Shereena nicht einfach 'ausliefern' konnte. Natürlich wollte sie Deirdre retten aber nicht auf diese Weise. Das wäre unverzeihlich.
Nur schien Joel sich wohl sehr schwer zu tun standhaft zu bleiben. Er wirkte sogar richtig kleinlaut und trat abermals von einem Fuß auf den anderen. Manchmal war er so ein Weichei. Und sowas war in der Verbrecher Branche tätig. Da wäre ja sogar sie eine bessere Verbrecherin! Das Einzige was er zu können schien war irgendwelche Schwächeren anzupöbeln. Vielleicht sollte er lieber wieder zurück in den Kindergarten.
Verärgert aber lautlos schnaubte sie, hielt sich jedoch nach wie vor zurück. Zumindest solange bis Joel allen Ernstes versuchte irgendwie einzulenken und sich total unterbuttern ließ, nur weil dieser Tyson ihm erklärte er hätte ohnehin keine andere Wahl weil er ja Lucy und Deirdre habe und sich Shereena im Notfall auch ohne seine Kooperation holen könne. Allem Anschein nach sah der Rothaarige das genauso und brachte nur zähneknirschend, wie auch nach wie vor kleinlaut hervor wie er das Lucy erklären solle und dass er sie wenn es nach ihm ginge sofort vorbei bringen würde. 
War das sein Ernst? Sie konnte deutlich sehen wie der Brünette einen kurzen Seitenblick auf sie warf, in dem sie allerdings nicht in der Lage war etwas zu lesen und dann auch schon einfach forderte er solle Shereena sofort hierher bringen.
Es war nicht zu übersehen dass Joel kleinbeigeben wollte und da platzte Eilin endgültig der Kragen. Mit einem unsagbar wütenden Zischen boxte sie dem Rothaarigen so stark in die Seite dass ihm die Luft zum Antworten wegblieb und fauchte ihn fast schon bedrohlich an:
"Ich fass es nicht! Du bist so ein verdammtes Weichei Joel! Wag es ja nicht Shereena an diesen Verbrecher auszuliefern!"


Damit wäre das Thema Joel vorerst abgehackt und sie konnte sich dem ernst zu nehmendem Verbrecher zuwenden. Verärgert stieß sie mit dem Zeigefinger gegen die nackte Brust des Scheißkerls und zischte ihn aufgebracht an. 
"Und du brauchst gar nicht so dämlich zu grinsen mit deiner Metallfresse! Du wirst Shereena nicht einfach so bekommen und schon gar nicht im Tausch gegen Deirdre! Was glaubst du eigentlich wer du bist?! Vielleicht solltest lieber du Lucy und Deirdre gehen lassen damit wir nicht zur Polizei gehen."
Sonderlich beeindruckt wirkte Tyson von ihren Worten nicht gerade, wirkte sogar mehr belustigt, wohingegen Joel vollkommen erbleichte und sie mit offenem Mund anstarrte. Es machte sie rasend. Der eine war ein Vollidiot und der andere ein arroganter Arsch der sie offensichtlich nicht für voll nahm.
"Hast du keine Angst dass ich deiner Tochter irgendwas antue und mir Shereena einfach selbst hole?", fragte er vollkommen ruhig, hatte seinen Blick nun allerdings vollständig auf Eilin fixiert und offenbar kein weiteres Interesse mehr an Joel. 
Ob das so gut war würde sich noch herausstellen, seine Antwort jedenfalls ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Nur um direkt darauf auch schon einen kochenden Vulkan in ihrem inneren zum Ausbruch zu bringen.
Zornig packte sie den Kerl am Kragen des offenen Hemdes und zog ihn nah zu sich herunter, zischte in unüberhörbar drohender aber entgegen ihrer inneren Gefühle erstaunlich ruhigen Tonlage:
"Jetzt hör mal ganz genau zu, wenn du meiner Tochter auch nur ein Haar gekrümmt hast, wirst du Shereena niemals auch nur zu Gesicht bekommen. Du konntest vielleicht mit Joel machen was du willst weil er manchmal einfach nur ein dämlicher Gorilla ist aber bei mir sieht die Sache ein bisschen anders aus. Ich habe dafür gesorgt, dass Shereena nicht mehr bei uns Zuhause ist und wenn uns irgendetwas zustößt, wird sich jemand darum kümmern, dass sie an einen sicheren Ort kommt und du dich dumm und dämlich suchen kannst ohne auch nur die geringste Spur von ihr zu finden."


Verblüffenderweise blieb der Kerl nach wie vor ruhig, wirkte sogar fast noch ein wenig amüsierter wie noch vor ihrer Erklärung. Was ihr noch weniger gefiel war, wie er seine kräftigen, warmen Hände um ihre schmalen Handgelenke legte und sich mit fast schon sanfter Gewalt aus ihrem Griff befreite. Allerdings ohne sie daraufhin wieder loszulassen.
Seine Stimme klang schneidend, hatte aber einen merkwürdig lauernden Unterton als er ihr gedehnt und sehr ruhig antwortete. 
"Das war tatsächlich kein dummer Schachzug." 
Statt jedoch weiter darauf einzugehen, blickte er nun wieder in Joels Richtung, stellte in trockener, etwas amüsierter Stimmlage fest. 
"Sie ist klüger als deine Freundin. Oder warte, du sagtest ja sie wäre deine Freundin? Dann war Tiana deine Frau?"
Seine.... bitte was?
"Man merkt die Verwandtschaft gar nicht."
Die VERWANDTSCHAFT?! Sehr langsam drehte sie sich mit dem Kopf in Richtung Joel, starrte ihn vollkommen undefinierbar an. 


Wovon redete dieser Tyson da gerade? Kurz versuchte sie beiläufig ihre Handgelenke freizubekommen, spürte allerdings dass der Brünette dafür zu fest zugepackt hatte.
Da ihre Gedanken im Augenblick allerdings ohnehin ganz woanders waren, kümmerte sie sich vorerst nicht weiter darum. 
Auch wenn sie selbst nicht so recht sagen konnte was genau sie eigentlich gerade dachte. Hieß das... sie hatte noch mehr Verwandtschaft von der sie nichts wusste? Sie kannte keine Tiana. Hatte ihr Vater neben Ren noch ein Kind mit dessen Mutter? Oder mit einer anderen? Aber das passte so gar nicht zu ihm. Oder war es ein Kind von ihrer Mutter mit einem anderen Mann? 
Wobei die für sie gerade sehr viel bedeutendere Frage eher war... was wollte er mit 'Joels Frau' sagen? War das ein 'Frau' im Sinne von 'Ehefrau'...? 
Der Blick in seinem Gesicht sprach Bände. Er wich dem ihren aus, war leicht blass, wirkte sogar ein wenig verärgert und schien nicht zu wissen was er sagen sollte. Das sprach dafür, dass der Kerl die Wahrheit gesagt hatte. 
Das war nicht sein Ernst... 
Sie konnte es nicht fassen. Dieser verdammte Scheißkerl. Also nicht, dass sie ihn nicht sogar quasi dazu gezwungen hatte mit ihr zusammen zu sein aber das? Und so wie er sich in letzter Zeit verhalten hatte? Warum zur Hölle hatte er überhaupt mit ihr geschlafen wenn er zum Teufel nochmal eine Frau hatte?!!! Sie hatte es kein einziges Mal von sich aus mit ihm ins Bett gewollt! Dieser dreckige kleine...
Die Augen zu Schlitzen verengend und gefährlich ruhig drohte sie Joel. 
"Darüber sprechen wir noch." 
Nur um sich auch schon wieder Tyson zuzuwenden der nach wie vor ganz offensichtlich seinen Spaß an diesem Gespräch hatte. Wenn auch nicht übertrieben viel. Amüsiert wirkte er dennoch und das ärgerte die Rothaarige nur noch mehr.
"Ich will meine Tochter wiederhaben. Wenn du Shereena jemals wiedersehen willst, dann lass sie gehen und zwar sofort. Und wo wir gerade dabei sind - lass mich los.", forderte sie nun kalt, war innerlich allerdings ein wenig überfordert mit dieser ganzen Situation. 
Lucy entführt, Deirdre entführt, ein gefährlicher Verbrecher der sie gerade etwas zu fest im Griff hatte und dann auch noch Joel mit seinen Lügen... wo sollte das nur enden. Was sollte sie denn noch alles verlieren.
Gott sei Dank hatte sie sich wenigstens nicht in Joel verliebt und nur tiefe freundschaftliche Gefühle für ihn gehegt. Trotzdem tat es weh. Sehr sogar. Und wenn er auch noch mit einer Verwandten von ihr zusammen war, sogar noch um einiges mehr. Wie konnte er ihr das nur antun und ihr nicht einmal von der Frau erzählen! Wahrscheinlich damit diese nicht herausfand dass er eine andere hatte.
Hastig schob sie die Gedanken beiseite, ebenso wie die langsam aufkommende Verbitterung, und konzentrierte sich lieber auf die Probleme für die zu lösen sie eigentlich hierher gekommen war. 
Nämlich ihre Tochter - und Lucy am besten auch gleich noch - zu retten. 
Nur schienen ihre Worte den Mann nicht wirklich zu beeindrucken. Ganz im Gegenteil sogar nahm er das ziemlich ruhig zur Kenntnis, lächelte ihr fast schon überlegen zu und erwiderte schmallippig amüsiert: 
"Ich befürchte diesen Aufforderungen kann ich nicht nachkommen."


Wo nahm er nur diese ganze Selbstsicherheit her?! Das war doch nicht zum aushalten. Der konnte doch nicht ernsthaft annehmen sie würde ihm das kleine Mädchen einfach überlassen nur weil er sich weigerte auf ihren 'Vorschlag' einzugehen.
Tat er scheinbar auch nicht.
Mit einem plötzlichen Ruck wurde sie herum gedreht und mit dem Rücken gegen den Oberkörper des Mannes gedrückt, während dieser nach wie vor eines ihrer Handgelenke festhielt und den Arm um ihren Oberkörper gelegt hatte um sie an einer Flucht zu hindern. 
Das andere Handgelenk hatte er losgelassen um eine Pistole hinter seinem Rücken hervor zu ziehen und sie Eilin mit dem Lauf gegen die Schläfe zu drücken.
Kalt spürte sie das Metall auf ihrer Haut und kalt fühlte sich auch ihr Innerstes an als sie das Klicken beim entsichern der Waffe hörte. Auf einen Schlag rutschte ihr Herz ihr ganz tief in die Hose und ihr Puls beschleunigte sich. Okay sie musste ruhig bleiben. Ruhig bleiben. Ganz ruhig. Sie durfte nicht die Kontrolle verlieren.
"Wenn du mich umbringst siehst du Shereena nie wieder, Joel weiß nämlich nicht wo sie ist.", brachte sie unter Aufwendung all ihrer Selbstbeherrschung hervor, schaffte es sogar das Zittern ihrer Stimme vollständig daraus zu verbannen. Leises kühles Lachen erklang hinter ihr, ließ sie den im Kontrast dazu heißen Atem in ihrem Genick spüren.
Eine Antwort bekam sie allerdings nicht, stattdessen richtete der Kerl seine Aufmerksamkeit dem mittlerweile wirklich blassen aber vor Wut gerade zu schäumenden Joel zu. Seine Stimme klang kalt und schneidend als er forderte: 
"Wenn du sie lebend wiederhaben willst bring mir meine Tochter."


"Du glaubst wirklich du kannst mir ausgerechnet mit Eilins Tod drohen?", zischte Angesprochener wutentbrannt. 
Riesel, riesel. 
Das musste wohl das Herz der Rothaarigen sein das langsam zu feinem Staub zerbröselte. Ein unangenehmer Knoten bildete sich in ihrem Hals und sie fragte sich ernsthaft ob das gerade wirklich passierte. Vielleicht war es ja nur ein Albtraum von der ganz besonders realistischen Sorte oder sie hatte sich schlichtweg verhört. 
"Ich glaube dir ist der Ernst der Lage nicht klar Joel. Selbst wenn sie dir egal sein sollte, deiner Tochter ist sie es nicht. Und die steht dahinten und hört alles mit."
Nun wich auch der Rest an Farbe aus dem Gesicht des Rothaarigen und sein Blick ging an Tyson vorbei ins Haus, fixierte einen Punkt den Eilin von ihrem ausgesprochen unvorteilhaften Standort aus nicht sehen konnte. Seine Mimik sprach allerdings Bände und sie war sich ziemlich sicher zu wissen was er dort sah.
Es tat so unglaublich weh zu sehen wie er ihren Tod einfach so in Kauf genommen hätte und es ihm nur wegen ihrer Tochter nicht völlig egal war... Sie bedeutete ihm überhaupt nichts, das wurde Eilin in diesem Augenblick schmerzlich bewusst. So gefährlich diese Situation auch war, die Bitterkeit die in ihr aufstieg war fast schlimmer als die Bedrohung erschossen zu werden.
"Ich weiß nicht wo Shereena ist.", hörte sie nun von dem Rothaarigen nur unter wütendem Zähneknirschen, dicht gefolgt von weiteren bitter klingenden Vorwürfen. 
"Und dank dir spielt es jetzt ja ohnehin keine Rolle mehr. Selbst wenn ich dir Shereena bringen sollte, wird Eilin mich doch niemals wieder in die Nähe meiner Kinder lassen."
Ach der Herr fühlte Bitterkeit? ER fühlte Bitterkeit? Ja er hatte natürlich auch allen Grund dazu. 
Ihre Stimme troff nur so vor bitterem Sarkasmus als sie zischte: "Oh ja Joel, du hast ja so ein schweres Leben. Du armer kleiner Tropf du. Brauchst du vielleicht noch eine warme Decke und einen heißen Kakao?"
Kurz konnte sie sowas wie Verletztheit in seinen Augen aufblitzen sehen und direkt darauf sogar einen Funken Schuldgefühle. Doch es verging so schnell wie es gekommen war und wurde abgelöst von einem wütenden, VORWURFSVOLLEN Blick. Wie konnte er es nur wagen. Dieser verdammte Pisser.
"Bring mir Shereena und ich sorge dafür, dass das kein Problem werden wird." 
Bildete sie sich das ein oder hatte sie einen ganz schwachen Unterton Amüsements in der Stimme des Verbrechers gehört? 
Trotzdem... die Antwort gefiel ihr nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass es ohnehin kein Problem gab. Deirdre liebte ihren Vater und Eilin würde ihn ihr niemals wegnehmen nur weil sie von ihm verletzt worden war. Das war ihr Streit und nicht der ihres Kindes.
Aussprechen tat sie das allerdings nicht, lauschte stattdessen schweigend, mit unbewegtem Gesichtsausdruck dem weiteren Gesprächsverlauf. Obgleich sie ohnehin wusste wie es ausgehen würde. Traurig. Sie hätte nicht erwartet sich so sehr in dem Älteren getäuscht zu haben. 
"Schön. Und wie soll ich bitte an Shereena rankommen? Eilin wird mir ja wohl kaum ihren Plan verraten oder mir dabei helfen." Wütend starrte er eben genannte an, schien ihr die Schuld an dem ganzen Dilemma zu geben. Hah! Das war so typisch für ihn.
Der heiße Atem an ihrem Ohr, als der Brünette ruhig und kühl mit ihr zu sprechen begann jagte ihr einen kurzen Schauder über den Rücken, doch sie reagierte nicht weiter darauf. 
"Ich gehe mal davon aus, dass er Recht hat."


Das hatte er allerdings. Eine Antwort bekam er jedoch nicht. Wohl sehr zum Ärgernis des Rothaarigen. Wirklich ein netter Anblick wie die Lavafluten der Wut aus seinen Augen sprühten.
"Wie erwartet."
Wieder wandte er sich dem dümmlichen Gorilla zu - was hatte sie nur an ihm gefunden?! - wies diesem an was er zu machen hatte als wäre Joel einer seiner niederen Angestellten oder so, die Stimme kalt und schneidend:
"Sie wird mit ihrem Bruder geredet haben. Wenn du es geschickt anstellst und den Entsperrungscode ihres Handys herausfindest kannst du in ihrem Namen mit ihm schreiben. Sie hat es sicher dabei, also hol es und versau das danach nicht."
Zuerst wirkte es fast so als wolle Herr Gorilla sich weigern, doch dann schien sein Widerstand zu brechen, er trat vor und suchte nach dem Handy. Eilin schwieg. Es war nicht schwer in ihr Handy zu kommen, ein paar ziellose Fingerwischer und er konnte Ren schreiben. 
Allerdings würde ihm das herzlich wenig helfen. Sobald er auch nur ein falsches Wort schrieb und nicht genau das was sie ausgemacht hatten, würde der Schwarzhaarige wissen das etwas nicht stimmte. Und er würde auch Joel nicht vertrauen wenn er ohne sie versuchte Kontakt aufzunehmen, so viel stand schon mal fest.
Gott sei Dank würde zumindest dieser Teil des Plans glatt laufen. Sie war gerade heilfroh solche Vorsorge getroffen zu haben. Doch das ließ sie sich nicht anmerken, setzte viel mehr einen kalten, vorwurfsvollen Blick auf, schaffte es sogar sowas wie Enttäuschung in ihre Mimik zu schleusen.
Unwohl wie er sich darunter wohl zu fühlen schien, trat Joel sofort zurück als er das Handy hatte und rauschte ohne ein Wort des Abschieds einfach davon wie ein wütendes Rhinozeros. Sollte er nur. Er würde schon sehen was er davon hatte.


Erstaunlich sanft aber trotz allem mit eisernem Griff wurde sie nun von Tyson ins Haus, hinter die Glastür verfrachtet. Statt sie allerdings loszulassen zum abschließen, sicherte er die Waffe wieder und steckte sie sich allen Ernstes in den Gürtel um mit der nun freien Hand nach seinen Schlüsseln zu kramen. War er irgendwie dumm oder so? Oder hielt er sie für so leichte Beute?
Selbstverständlich nutzte sie den Moment der Unachtsamkeit sofort aus, spürte einen wahren Adrenalinstoß als sie hinter sich und nach der Waffe griff, sie ihm mit einem Ruck aus dem Gürtel zog um sich noch aus der selben Bewegung heraus ein paar Schritte von ihm zu entfernen und auf ihn zu zielen.
Hastig entsicherte sie die Waffe wieder, versuchte das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken, versagte allerdings kläglich dabei. Die erwartete Reaktion blieb ebenfalls aus. Der Kerl sperrte einfach seelenruhig ab, steckte den Schlüssel wieder in seine Tasche und hob sichtlich belustigt aber mehr als nur halbherzig die Hände. 
"Und was machst du jetzt? Mich erschießen und den Schlüssel aus den Taschen meiner Leiche holen?", fragte er trocken aber nach wie vor sehr amüsiert. Ganz so als würde er sie nicht ernst nehmen. 


Und leider zurecht. Ihre Hände zitterten noch mehr während sie ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen presste. 
Ein schmales kühles Lächeln zog sich über sein Gesicht, seine Stimme klang vollkommen ruhig und selbstsicher als er weiter sprach. 
"Ich werde nicht hier stehenbleiben und darauf warten dass du dich entscheidest. Den Schlüssel werde ich dir auch nicht geben. Du hast also keine große Wahl."
Warum sagte er ihr das?! War er Lebensmüde?! Fassungslos starrte sie ihn an, als er auch schon tatsächlich seine Arme wieder runternahm und einfach ohne das geringste Zögern auf sie zuging. 
Oh mein Gott. Ihr Herz könnte gerade wohl einem Presslufthammer Konkurrenz machen so hart und schnell schlug es ihr gegen die Brust. Nervös stolperte sie vor ihm zurück, forderte aber trotzallem mit erstaunlich ruhiger Stimme: "Bleib stehen oder ich schieße! Ich meins ernst!"
Schien ihn nicht zu kümmern, er lachte nur leise und klärte sie belustigt auf: "Es ist wirklich deutlich nach wem deine Tochter kommt." 
Leider blieb er nicht stehen und sie hatte mittlerweile eine Wand im Rücken. Aber sie konnte doch nicht abdrücken. War ihr kleines Mädchen nicht hier irgendwo? Joel hatte sie doch gesehen oder? So einen Anblick konnte sie Deirdre nicht antun. Aber wenn sie es nicht tat würden sie hier niemals rauskommen. Und wer wusste schon was der Kerl tun würde wenn sie es nicht tat.
Gerade als er sie erreicht hatte und nach ihr greifen wollte, schloss sie die Augen und drückte in einer Kurzschlussreaktion einfach ab.
Klick.
Das war alles. Ein dumpfes, leises Klick. Was?
Ihre Augen öffneten sich wieder als der Brünette vor ihr angekommen war, ihr belustigt die Waffe aus den zitternden Händen nahm.
"Ich hatte ehrlich gesagt nicht erwartet dass du abdrücken würdest." 
Wie schon am Vortag bei Deirdre - was Eilin aber natürlich nicht wusste - zeigte er der jungen Frau das leere Magazin und steckte sich die Waffe wieder in den Gürtel.
"Aber.... warum....?", war alles was der fassungslos in Tysons Gesicht starrenden Rothaarigen über die Lippen kam.


"Ich hatte nicht vor dich zu erschießen und wollte nicht riskieren dass es versehentlich passiert. Oder du genau das tust was du gerade getan hast." 
Offensichtlich stand ihr die Verwirrung über diese Worte deutlich ins Gesicht geschrieben, denn Tyson fühlte sich allem Anschein nach dazu genötigt es weiter zu auszuführen.
"Joel ist ein Idiot den man nur ein wenig bedrohen muss damit er tut was man von ihm will. Das mit der Waffe war lediglich ein Bluff."
Ein... Bluff...? 
"Dann... würdest du niemanden umbringen...?"
"Doch das würde ich. Aber nicht dich. Es hätte mir mehr Ärger als Nutzen gemacht."
Na das war ja sehr schön für ihn. Tief atmete sie ein und aus, senkte ihre Arme langsam wieder und mahnte sich innerlich zur Ruhe, war irgendwo sogar sehr erleichtert dass das Magazin der Waffe leer gewesen war. Sie wusste nicht ob sie es sich hätte verzeihen können einen Menschen zu erschießen.
Aber darüber wollte und konnte sie gerade nicht nachdenken. Es war nicht geschehen und sie musste den Kopf jetzt frei für das Wesentliche haben. Der Plan war jedenfalls gründlich schief gelaufen und nun war sie selbst eine Art Geisel. Aber zumindest war Shereena in Sicherheit und Ren würde sie Joel ganz gewiss nicht geben.
Joel...
Der Zorn über das alles, über das Schicksal welches ihr immer wieder irgendwelche Steine in den Weg legte und versuchte sie zum fallen zu bringen, der Zorn über diese ganze Situation und vor allem der Zorn über ihren - jetzt mit hundertprozentiger Sicherheit Ex - Freund brach langsam durch ihre Fassade und verschleierte für einige Augenblicke wo und weshalb sie hier war... sie wollte die Wahrheit wissen.
"Was meintest du vorhin mit 'Joels Frau'? Und der Verwandtschaft? In wie fern ist diese Tiana verwandt mit mir und was hat sie mit Joel zu schaffen?" 
Das schmale, fast schon zufriedene Lächeln auf den vollen Lippen des Mannes gefiel ihr nicht... Es wirkte fast als hätte er genau das hören wollen... Seine Stimme klang ruhig, wenn auch wieder irgendwie lauernd als er ihr antwortete. 
"Genau das was ich gesagt habe. Er hat wohl vergessen zu erwähnen dass er verheiratet ist und mit deiner Halbschwester vier Kinder hat." 
Vier... Kinder... das war eins mehr als sie mit ihm hatte. Aber was zum Teufel, als ob das irgendeine Rolle spielte wer mehr Kinder mit ihm hatte! Wie kam sie jetzt plötzlich darauf?! Das musste der Schock sein.
"Ja, ganz offensichtlich hat er das.", gab sie trocken und mit nur mühsam unterdrücktem Zorn von sich, schloss für einen Augenblick sogar wieder die Augen und rieb sich mit Zeige-, Ringfinger und Daumen über die Stirn. Dieser Drecksack. Sie konnte es kaum fassen.


Okay sie musste sich verdammt nochmal beruhigen, das war doch lächerlich. Das mit Joel war jetzt ohnehin endgültig vorbei. Jetzt wo sie wusste wie viel sie ihm wert war... 
"Wie... wie lang...", brachte sie stockend, den Blick nun wieder auf Tysons Augen fixiert hervor, schaffte es allerdings nicht ihre Frage zu Ende zu formulieren. 
War wohl auch nicht nötig. 
"Er war bereits mit ihr verheiratet bevor er dich kennengelernt hat." 
Dieser widerliche Drecksack. Also hatte er sie verführt und sich an sie rangemacht obwohl er eigentlich schon eine Frau gehabt hatte?!
Die Verbitterung wollte ihr das klare Denken schwer machen. Es war nicht so, als wäre sie verliebt in Joel gewesen. Vielleicht hätte sie es ihm sogar verziehen wenn sie es anders erfahren hätte. Sicher sie wäre unsagbar wütend gewesen und alles aber immerhin hatte sie ihn in diese 'Beziehung' gezwungen... aber nachdem er ihr vorhin ja sehr deutlich gezeigt hatte wie wenig sie ihm wert war, war es damit nun auch vorbei.
Stellte sich nur noch eine andere Frage...
"Und warum genau hast du das erwähnt? Wohl kaum grundlos oder aus Nächstenliebe." 
"Das hast du gut erkannt.", erwiderte er amüsiert aber nach wie vor schmal lächelnd. 
"Ich habe dich lieber ungebunden hier."
Aha? Warum wollte er dass sie ungebunden war? Vollkommen irritiert runzelte sie die Stirn, fragte mit unüberhörbaren Misstrauen in der Stimme, das Herz langsam wieder ruhiger werdend: 
"Soll das ein Witz sein? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Was sollte dir das bitte bringen?" 
Das Amüsement in seinem Gesicht nahm unmerklich zu und Eilin bekam das ungute Gefühl etwas ganz entscheidendes übersehen zu haben. Mit einem gemächlichen Schritt reduzierte er den Abstand zwischen ihnen auf fast Null, beugte sich für ihren Geschmack zu nah zu ihrem Gesicht herunter und stellte trocken amüsiert fest: 
"Das wirst du früh genug herausfinden."


War das eine Drohung? Unruhig machte sie schon den Mund auf um etwas zu erwidern, als sie spürte wie etwas an ihrer Kleidung zog.
"Mommy... bitte... du kannst später mit Mr. Verbrecher diskutieren....."
Deirdre. 
Oh mein Gott, wie hatte sie das nur vergessen können. 
Ihr schlechtes Gewissen schlug mit unbarmherziger Macht zu als sie in das unglückliche Gesicht ihrer kleinen Tochter herab sah. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie wie Tyson, der einen Schritt zurück getreten war, ganz kurz eine Augenbraue hob, konnte sich aber keinen Reim darauf machen und widmete ihre Aufmerksamkeit dann lieber doch vollständig ihrer Tochter.
Sie war so unendlich erleichtert sie gesund und munter zu sehen und in die Arme schließen zu können. Wenigstens etwas Gutes an diesem ganzen Dilemma. Ihr kleines Mädchen musste nicht mehr vollkommen allein bei diesem Verbrecher sein. Sicher war sie vor Angst halb gestorben!
Rasch nahm sie sie in die Arme, wurde allerdings von dieser sofort wieder weggedrückt und viel zu ernst für ein Kind angesehen. 
"Jetzt nicht Mum. Es gibt wichtiges zu klären. Ich darf Daddy doch weiterhin sehen oder?" 
Irritiert runzelte Eilin die Stirn, fing sich aber recht schnell wieder und beruhigte ihr kleines Mädchen rasch.
"Natürlich. Er ist schließlich dein Vater und liebt dich." 
Sie konnte deutlich sehen wie Tyson offenbar ein wenig überrascht die Augenbrauen hob, doch er schwieg nach wie vor. 
"Aber ich muss nicht bei ihm wohnen wenn ihr euch trennt oder?"
Das war gerade nicht wirklich der Moment um über sowas zu reden... dieses Kind... 
"Das... Deirdre...", seufzend strich sie sich durchs Haar, erwiderte schließlich erzwungen ruhig: "Nein musst du nicht, ich hoffe sogar dass du bei mir bleibst." 
Wieder sah sie aus den Augenwinkeln in Richtung des Brünetten, wurde von dessen schwer zu deutenden, intensiven Blicken abgelenkt. Was starrte er denn so?! Das beunruhigte sie und steigerte ihre Nervosität ins Unermessliche.
"Mummy?" 
Hastig blickte sie wieder zu ihrer Tochter, die ihr nun tröstlich auf die Schulter klopfte und beruhigend, als wäre sie die Mutter und Eilin das Kind, erklärte: "Du musst keine Angst haben. Mr. Verbrecher ist gar nicht so böse wie er tut, der will dir nur Angst machen. Er hat sogar meine Lieblingscornflakes und hat mich nicht mit stinkigem Rauch belästigt als ich gefrühstückt habe."

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