Dienstag, 18. Oktober 2016

Vorgeschichte Kapitel 4

4. Frohe Weihnachten

Lucy


Brrrrrrm. Das laute Summen und Rumpeln und Blubbern der Kaffeemaschine hallte in Lucys Ohren nach. Augenscheinlich geduldig wartete die Junge Frau darauf, dass der Kaffee fertig gebrüht war, beobachtete Tropfen für Tropfen dabei wie er in die große Kanne aus Glas herab fiel, ein leises, plätscherndes Geräusch erklingen ließ.



Es war später Nachmittag. Heilig Abend. Die Stimmung im Haus war warm, hell und familiär. Und hinterließ einen sehr bitteren Nachgeschmack. Zu keiner Zeit des Jahres vermisste sie ihren Vater mehr als zu Weihnachten.
Sie erinnerte sich noch sehr genau wie sie immer mit einem Honigkuchen Grinsen ins Wohnzimmer gerufen hatte, sie und ihren kleinen Bruder. Wie er sie mit leuchtenden Augen dabei beobachtet hatte als sie ihre Geschenke ausgepackt hatte und wie erwartungsvoll er dabei geguckt hatte. Sie vermisste ihn. Lucy war weiß Gott kein sehr familiärer Mensch aber ihr Vater hatte ihr die Welt bedeutet.
Tief seufzend griff sie nach ihrer kühlen, weißen Tasse und schenkte sich etwas von dem braunen Zaubermittel gegen Müdigkeit ein.


Sie stellte die Kanne wieder unter die Kaffee Maschine, trat ans Fenster. Mit tief in Gedanken versunkenen Blick sah sie hinaus, beobachtete die vereinzelten Menschen die hastig zu ihren Häusern liefen, die Familien die einen weihnachtlichen Nachmittagsspaziergang unternahmen und die vereinzelten Kinder die noch in den Gärten der Nachbarn spielten bevor es Zeit zum Abendessen und kurz darauf für die Bescherung wurde.
Ihr Blick fiel auf das Gebäude ein paar Häuser weiter, das Haus ihrer Kindheit. Es stand leer. Es gehörte ihr. Aber sie wollte noch nicht dorthin zurück.


Zu allem Übel, gab es da auch noch ein anderes 'Problem'. Ihre... Treffen mit Tyson waren nicht folgenlos geblieben. Dabei hatte sie so sehr auf Verhütung geachtet! Diese verdammte Pille war einfach zu unsicher. Von wegen 99,9 prozentige Sicherheit. Jaja das hatte sie bemerkt! Der Brünette wusste natürlich noch nichts von ihrer Schwangerschaft. Sie wollte nicht wissen wie er reagieren würde und deshalb hatte sie ihn seit einigen Wochen auch nicht mehr getroffen.
Mittlerweile war es kaum noch zu übersehen dass sie sich in anderen Umständen befand. In welchem Monat war sie? Dem sechsten oder siebten. Wieder seufzte sie, da hörte sie hinter sich auch schon wie jemand in die Küche schlenderte, klapperndes Geschirr in den Händen.
Da war ja schon die nächste unangenehme Begebenheit. Ren. Nicht dass er sich ihr gegenüber seltsam verhalten hätte oder so... dazu hatte sie ihm gar keine Gelegenheit gegeben da sie ihm vorwiegend aus dem Weg ging.
"Na willst du wieder weglaufen?"
, erklang auch schon seine Stimme, ließ sie leicht zusammenzucken und ertappt unruhig zur Seite blicken.


"Öhm... ich... laufe nicht weg..."
, nuschelte sie ausweichend, erntete dafür jedoch nur einen kurzen Seitenblick Rens und ein daran folgendes Kopfschütteln. Lief sie weg? Vielleicht. Zumindest ging sie ihm aus dem Weg. Warum eigentlich? Sie hatte ihm ja klar und deutlich gesagt, dass sie nicht mit ihm zusammen sein wollte! Aber wer hätte denn auch ahnen können dass sie so kurz nach Drystans Geburt, ihrem Sohn mit Ren, schon wieder schwanger werden würde... das war schon unangenehm.
"Ich verstehe nicht ganz warum du mir aus dem Weg gehst, Lucy."
, drang da auch schon wieder die Stimme des Schwarzhaarigen zwischen dem Plätschern des Spülwassers an ihr Ohr. Nun blickte sie doch etwas unsicher zu dem Älteren. Er sah nicht auf, schien den Blick auf das Spülwasser fixiert zu haben.


Ein Seufzen erklang, der Stöpsel des Spülbeckens wurde gezogen und das Wasser floss rasch und leise plätschernd die Rohre hinab. Schnell sah die junge Frau wieder in Richtung des Fensters, bemerkte wie Ren sich ihr zu wandte, kurz die Stirn runzelte und sich die Hände abtrocknete. Das gefiel ihr nicht. Er sollte weggehen. Weihnachten hin oder her, sie wollte lieber nicht mit ihm reden. Wer wusste schon was er ihr vorwerfen würde.
"Ernsthaft jetzt, du musst dir keine Gedanken machen. Wir sind nicht zusammen und ich schätze mal du hast wohl einen anderen Freund oder Partner."
, sprach er trotzdem mit ihr, schmunzelte schließlich sogar freundlich amüsiert als er fortfuhr:
"Du musst dich absolut nicht vor mir rechtfertigen wegen der erneuten Schwangerschaft. Für Drystan ist es wahrscheinlich sowieso besser einen Bruder oder eine Schwester zu haben."
Direkt darauf piekte er ihr auch schon kurz in die Seite, grinste sie an und machte sich mit den Worten:
"Wir sind im Wohnzimmer."
auf den Weg zu den anderen, hinterließ eine nun angedeutet lächelnde Lucy.


Nun.. das war ja besser gelaufen als erwartet. Ren war viel zu nett. Aber zumindest ging er ihr so nicht auf den Keks und Drystan hatte einen akzeptablen Vater. Kurz sah sie dem Älteren nach, wandte den Blick dann aber doch wieder auf das Fenster, richtete ihn in scheinbar weite Ferne.
Sie würde ihm noch folgen... aber zuerst wollte sie noch ein wenig allein sein, den sich langsam orange färbenden Himmel beobachten und an ihren Vater denken. Wie er wohl reagiert hätte auf ihre Schwangerschaft? Sicher hätte er sich tierisch aufgeregt, schlussendlich aber doch über seine Enkelkinder gefreut... sie vermisste ihn so sehr.


Lang blieb sie nicht mehr in der Küche, gesellte sich schließlich doch noch irgendwann zu ihrer kleinen 'Familie'. Wenn man es denn so nennen konnte. Zumindest Eilin und die kleine Deirdre zählte sie durchaus dazu... Ren vielleicht ein klein wenig. Und Joel? Naja... er war eben da. Eilins Freund, auch wenn er lästig war. 
Sie wurde mit einem strahlenden, glücklichen Lächeln Eilins begrüßt und von ihr am Handgelenk mit aufs Sofa gezogen.
"Komm setz dich Lucy! Wir haben uns gerade über alte Geschichten aus unserer Kindheit unterhalten!"
, meinte sie fröhlich und die Dunkelhäutige ließ sich mit einem Augenrollen neben ihr nieder. Geschichten aus ihrer Vergangenheit... na wundervoll. 
"Warum erzählst du nicht auch was!"
, wandte die Rothaarige sich an sie, wurde allerdings unterbrochen als die kleine Deirdre ins Wohnzimmer gehopst kam. Gott sei Dank. Dann würde es wohl auch bald Bescherung geben. 


Sie musste allerdings gestehen, dass das Wohnzimmer wirklich weihnachtlich und gemütlich war. Selbst das Licht schien wärmer als an anderen Tagen zu sein und irgendwie war die fröhliche, fast schon heitere Stimmung ansteckend. Eine angenehme Wärme und Geborgenheit lag in der Luft die Lucy wohl im Normalfall alles andere wie gefallen hätte...


Schließlich schaffte Eilin es auch sie dazu zu überreden, doch noch etwas aus ihrer Kindheit zu erzählen. Und irgendwie war es auch ein angenehmes Gefühl über ihren Vater zu reden und darüber was für einen Unsinn er manchmal angestellt hatte und war für ein toller Vater er aber gewesen war.
Hier und da gab es natürlich auch eher witzige Geschichten, darüber wie ihre Mutter mal wieder versucht hatte Colja eifersüchtig zu machen. Natürlich so erzählt, dass Deirdre es nicht verstand. Oder zumindest so dass Joel und Eilin dachten sie würde es nicht verstehen. Lucy war sich da nicht so sicher ob die Kleine das wirklich nicht verstand.


Irgendwann wurde es dann aber doch schon recht spät, die Bescherung lag längst hinter ihnen und Deirdre war gerade dabei irgendeine Geschichte vom wilden Pferd zu erzählen. Lucy allerdings wollte nach ihrem Sohn sehen, er hatte sicher Hunger und wollte ein wenig Aufmerksamkeit. 
Sie erhob sich, erwähnte beiläufig dass sie kurz nach dem Jungen sah und ließ die Gruppe allein zurück. Sie waren ohnehin alle sehr gefesselt von der Geschichte des kleinen Mädchens.


Gemächlich stieg sie die Stufen ins erste Geschoss hinauf, betrat leise ihr Zimmer und fand ihren Sohn mit offenen, großen Augen in seinem Bettchen wieder. Er war doch schon ein gutes Stück gewachsen und sein schwarzes Haar hing im locker ins Gesicht.
Als er seine Mommy sah strahlten seine Züge nur so und er lachte leise und glücklich auf. Schmunzelnd nahm sie ihn in ihre Arme, schaukelte ihn sanft hin und her.
"Na mein Kleiner? Hast du Hunger?"
Sie zeigte ihm die Flasche und wurde mit dem Anblick der kleinen, danach angelnden Fingerchen belohnt. 
Sie zögerte nicht lange, ließ ihn danach greifen und lächelte ihm abwesend zu, während sie leise murmelte:
"Bald wirst du einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester bekommen..."


Sie wiegte ihn noch ein wenig hin und her, sprach leise mit ihm während sie in sein süßes kleines Gesicht blickte. Er hatte ihre Augenfarbe... und Rens Haarfarbe. Eine richtige Mischung. Nach wem er wohl mehr kam?
Wieder lachte der Kleine, nur um im Anschluss daran auch schon leise zu gähnen. Offenbar war er nach dem Essen müde. Sie schmunzelte, strich ihm kurz über das Haar und legte ihn schließlich vorsichtig zurück in sein Bettchen, wurde mit einem abermaligen, hellen Lachen seinerseits belohnt. "Schlaf gut mein Kleiner..."

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